Auf den Spuren unserer Vorfahren
Eine Gruppe aus der Kolonie Menno in Paraguay reiste im Juni 2018 nach Europa.
Im Jahr 2016 unternahm eine Gruppe aus der Kolonie Menno eine Reise durch Deutschland und Polen. Dies sprach sich im Chaco schnell rum. Auf der Plautdietschen Medienkonferenz in Mexico im September 2017 sprach mich Uwe Friesen wegen einer weiteren Reise an. „Das Interesse für eine Reise durch Europa ist bei den Menschen in Paraguay sehr groß. Es kommen immer wieder Anfragen.“ Es wurde ein Termin abgemacht. Im Juni war es dann so weit. Uwe Friesen vom Mennonitischen Geschichtsverein mit Patrik Friesen kam mit einer Gruppe von 38 Teilnehmern aus der Kolonie Menno nach Frankfurt. Die Gruppe bestand aus Menschen unterschiedlichen Alters: die Jüngste war 21 und der Älteste 79 Jahre alt.
Am Flughafen wurde die Gruppe von mir empfangen. Dann ging es mit dem Reisebus erstmal zum Hotel um sich vom langen Flug etwas auszuruhen. Der erste Tag begann ruhig: Die Mennonitische Forschungsstelle im Weierhof, Landwirtschaftlicher Betrieb, Besuch von einem örtlichen mennonitischen Winzer und die Besichtigung der Stadt Worms, in der Luther 1521 im Reichstag die Thesen vor dem Kaiser verteidigte. Am Ort zu stehen, wo Geschichte geschrieben wurde, war für alle etwas Besonderes. Viele Teilnehmer hatten die Geschichte in der Schule gelernt, aber jetzt konnte man sie anfassen. Eine besondere Überraschung wartetet auf die Gruppe am Ende des Tages – eine Schifffahrt auf dem Rhein. Die Landschaft mit den vielen Weinbergen und mittelalterlichen Burgen ist wunderschön.
Letztes Jahr feierten wir 500 Jahre Reformation, ein „Martin Luther“ Jahr. So sind wir zur Wartburg gefahren, in der Martin Luther in 6 Wochen das Neue Testament ins Deutsche übersetzt hat. Die Burg steht heute noch in voller Pracht und lädt Besucher ein.
Detmold ist eine wunderschöne Stadt. Hier erlebten wir die Mennonitengeschichte von heute. Die Gruppe wurde bei Gastfamilien einquartiert. Sie wurde sehr herzlich empfangen und hatte in den Familien eine besondere Zeit: Einkaufen, Spazieren, Besichtigung der Innenstadt mit ihren vielen Fachwerkhäusern, Erdbeeren pflücken und Gottesdienstbesuche. „Wir hatten die besten Gastgeber“ – habe ich von vielen Reiseteilnehmern gehört.
Die Russlanddeutschen haben in Detmold und Umgebung vieles aufgebaut. Natürlich blieb der Besuch der Radiostation Segenswelle, der Christlichen Schule, des Pflegeheimes, der Plautdietsch Freunde und des Hermanndenkmals nicht aus. Abends hatten die Mitarbeiter von Radio Segenswelle für alle ein Abendessen organisiert. Wir aßen „Plov“ – ein leckeres usbekisches Reisgericht. Anschließend hörten wir einen Vortrag von Hans-Peter Wiebe über die mennonitische Künstlerfamilie Block. Diese Familie hatte in Preußen viele Kunstwerke geschaffen und war an der Gestaltung der Stadt Danzig aktiv beteiligt. Dieser Vortrag sollte uns helfen die mennonitische Hand in Polen zu erkennen.
Weiter ging unsere Fahrt nach Berlin. Bei der Stadtrundfahrt konnten wir die Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt Deutschlands kennenlernen und haben die frühere Staatsgrenze öfters überquert. Aus der Kuppel des Reichstages hatten wir einen sehr guten Blick über Berlin. Uns viel auf wie grün die Stadt doch ist, obwohl hier 3,5 Millionen Menschen leben.
In Polen haben wir viele mennonitische Friedhöfe besucht. Hier konnten wir Grabsteine mit den Namen wie Classen, Wiens, Rempel, Enns und viele andere lesen. Wir fühlten uns zuhause. In diesen Dörfern hatten unsere Vorfahren gelebt. Sie hatten Landwirtschaft, Viehzucht, Handwerk und Handel getrieben. Hier sind unsere Wurzeln. Mit der Marienburg, der größten Backstein Burg Europas, waren unsere Vorfahren eng verbunden. Die Besichtigung dauerte ein paar Stunden. Unser Reiseleiter erzählte uns von der Entstehung der Burg, ihre Zerstörung im 2. Weltkrieg und die Restauration. Heute kommen täglich ca. 5.500 Besucher hierher.
Der Oberlandkanal war uns bis zu dieser Reise nicht bekannt und wir konnten es uns nicht vorstellen, dass ein Schiff über Land gezogen wird. Dies durften wir sehen und sogar selbst mitfahren. Auf dem Weg nach Hamburg zum Auswanderungsmuseum sind wir in Bad Oldeslohe angehalten. In der Mennokate lebte Menno Simons von 1554-1561. Hier arbeitete und starb er. Heute ist ein kleines Museum, das Einblicke in das schlichte und einfache Leben von Menno Simons bietet.
Von Hamburg ging unsere Reise zum Flughafen Frankfurt mit dem Schnellzug der Deutschen Bahn. Die meisten aus der Gruppe waren noch nie mit einem Zug gefahren.
Die Teilnehmer der Gruppe hatten auf dieser Reise vieles zum ersten Mal im Leben erlebt: Burgbesichtigung, Schifffahrt, Bundestag der deutschen Regierung, Oberlandkanal und vieles mehr. Viele schöne Eindrücke werden in Erinnerung bleiben, aber das wichtigste bei dieser Studienreise war die Gemeinschaft. Wenn ältere und junge Menschen zusammen etwas unternehmen, zusammen beten, singen und lachen – das ist es, was eine gute Reise ausmacht.
Unsere Vorfahren haben Spuren hinterlassen, viele von diesen konnten wir entdecken. Aber auch unser Leben lässt Spuren zurück, dass sollte uns im Alltag bewusst sein. Lasst uns gute Spuren hinterlassen, damit irgendwann unsere Nachkommen diese als ein gutes Buch lesen können.
Reiseleiter der Gruppe
Viktor Sawatzki, Detmold (Deutschland)